Recht
24.06.2008
Änderung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu arbeitsvertraglichen Ausschluss- bzw. Verfallfristen – Bedeutung für das Arbeits- und Bilanzrecht


Aus der betrieblichen Praxis nicht mehr wegzudenken sind arbeitsvertragliche „Ausschluss-“ bzw. „Verfallklauseln“. Dabei handelt es sich um vertraglich vereinbarte Verjährungsregelungen für alle oder gegenseitige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Bei schwebenden Arbeitsgerichtsprozessen ist für den betreffenden Jahresabschluss eine Rückstellung für Prozesskosten zu bilden, die sich der Höhe nach den entstandenen und noch zu erwartenden Kosten der jeweils angerufenen Instanz richten (BFH vom 24.06.1970, BStBl II 1970, 802). Bei anhängigen Passivprozessen, also bei solchen, bei denen der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer verklagt wird, sind neben den Prozesskosten auch die wahrscheinlich zu erbringenden (Schadensersatz) Leistungen zu berücksichtigen (BGH vom 20.06.1989, WM 1989, 1284); die Höhe der Ansprüche und der Kosten bestimmt selbstverständlich die Höhe der Rückstellungen. Auch durch das BilMoG wird sich die Rückstellungsbildung wegen ungewisser Verbindlichkeiten gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB nicht ändern. Diese Verbindlichkeitenrückstellung wird somit ganz stark durch die Rechtsprechung zu den arbeitsrechtlichen Ausschluss- und Verfallfristen geprägt. Auch nach internationaler Rechnungslegung (IFRS) sind entsprechende Rückstellungen gemäß IAS 37 zu bilden und im IRFS-Rückstellungsspiegel darzustellen.

In Formulararbeitsverträgen ist wie folgt zu unterscheiden:
  1. einseitige Ausschlussfristen: Hiernach muss nur der Arbeitnehmer binnen einer bestimmten Frist seine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend machen; solche sind unangemessen und daher nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam (BAG vom 31.08.2005, 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324).
  2. einstufige Ausschlussfristen: Danach müssen Ansprüche innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht werden; eine anderweitige, z. B. gerichtliche Geltendmachung ist nicht vorgesehen. Solche Klausel sind unwirksam, wenn kürze Fristen als drei Monate bestimmt sind (BAG vom 28.05.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149).
  3. zweistufige Ausschlussfristen: Neben einer schriftlichen oder mündlichen Geltendmachung - innerhalb einer bestimmten Frist – wird zusätzlich innerhalb einer weiteren Frist die gerichtliche Geltendmachung verlangt. Derartige Klauseln verstoßen nicht gegen § 309 Ziffer 13 BGB. In Anlehnung an § 61b ArbGG ist für die zweite Stufe aber eine Mindestfrist von 3 Monaten geboten. Ist diese Frist kürzer bemessen, muss zum Erhalt der Ansprüche keine Klage erhoben werden (BAG vom 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111).
  4. Ausschluss- bzw. Verfallfristen, die für den Beginn der Ausschluss- bzw. Verfallfrist nicht auf die Fälligkeit des Anspruches abstellt, sondern allein auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (BAG vom 01.03.2006 – 5 AZR 511 / 05, NZA 2006, 783; eine geltungserhaltende Reduktion findet generell nicht statt (BAG, a.a.O.).
Die Reichweite von sog. „Ausschluss-“ bzw. „Verfallklauseln“ hängt neben ihrem Inhalt auch davon ab, ob diese im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder tarifvertraglich vereinbart sind. Die jüngere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hatte drei Fälle zu entscheiden, die in Formulararbeitsverträgen sog. „Ausschluss-“bzw. „Verfallklauseln“ zum Gegenstand hatten:

Fall 1 (BAG vom 19.03.2008, 5 AZR 429/07):

Der Arbeitgeber hatte im Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer u. a. Folgendes vereinbart:

„Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind von den Vertragsschließenden binnen einer Frist von drei Monaten seit ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Falle ihrer Ablehnung durch die Gegenseite binnen einer Frist von drei Monaten einzuklagen. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen.“

Nach arbeitgeberseitiger Kündigung erhob der Arbeitnehmer erfolgreich Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsverhältnis bestand damit fort und der Arbeitnehmer machte Annahmeverzugslohn für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist geltend. Er hatte die einzelnen Monatsvergütungen allerdings nicht innerhalb der zweistufigen Ausschlussfrist schriftlich geltend gemacht und auch nicht rechtzeitig eine bezifferte Leistungsklage auf Zahlung der Vergütungen erhoben. Der Arbeitgeber wendete ein, dass die Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers verfallen seien.

Das BAG hält die Ansprüche neuerdings für nicht verfallen.

Bislang war es in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen war, dass die Erhebung einer Kündigungsschutzklage für alle mit der Kündigung zwingend zusammen hängenden Ansprüche (wie z.B. Verzugslöhne) die erste Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist wahrt (z.B. BAG 26.4.2006, 5 AZR 403/05), jedoch nicht die zweite Stufe. Die zweite Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist konnte bisher nur durch Erhebung einer bezifferten Leistungsklage gewahrt werden.

Für arbeitsvertraglich vereinbarte und vorformulierte Ausschlussfristen hat das BAG nun seine ständige Rechtsprechung ausdrücklich geändert: Der Arbeitnehmer (und sein Rechtsanwalt) darf davon ausgehen, dass er durch Erhebung der Kündigungsschutzklage auch Verzugsvergütungen i. S. einer Ausschlussfrist „einklagt“. In seiner neuen Rechtsprechung beruft sich das BAG zur Begründung auf das Transparenzgebot nach § 305c Abs. 2 BGB. Vorliegend war im Arbeitsvertrag geregelt, dass Ansprüche zunächst schriftlich geltend gemacht und dann eingeklagt werden müssen. Dies kann nach Ansicht des BAG der durchschnittliche, nicht rechtskundige Arbeitnehmer so verstehen, dass jede gerichtliche Auseinandersetzung über die Ansprüche im weiteren Sinne ausreichend ist.

Will der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer dagegen verlangen, dass dieser parallel zum Kündigungsschutzprozess die fälligen (noch unsicheren) Monatsvergütungen innerhalb bestimmter Fristen einklagt, muss dies nach Ansicht des BAG ausdrücklich geregelt sein. Aus der Formulierung im streitigen Arbeitsvertrag ergab sich das nicht.

Praxishinweise:
Das BAG hat seine Rechtsprechung nur bezüglich solcher Ausschlussfristen geändert, die in vorformulierten Arbeitsverträgen verwendet werden. Tarifvertragliche Ausschlussfristen sind dagegen nicht nach §§ 305ff. BGB kontrollierbar. Bei tarifvertraglichen zweistufigen Ausschlussfristen dürfte es zukünftig eine Frage der Auslegung der konkreten Norm sein, ob vom Arbeitnehmer verlangt wird, Verzugslöhne immer durch Leistungsklage geltend zu machen. Solange die arbeitsvertragliche Klausel ausdrücklich und eindeutig festlegt, dass für die Einhaltung der zweiten Stufe der Ausschlussfrist die Erhebung einer bezifferten Leistungsklage notwendig ist, bestehen dagegen keine Bedenken vor dem Hintergrund des Transparenzgebots.

Die inhaltliche Zulässigkeit der streitgegenständlichen Ausschlussfristenklausel hat das BAG in seiner Entscheidung vom 19.03.2008 ausdrücklich offen gelassen. Es wird lediglich angedeutet, dass diese Klausel dann gegen das Verbot der unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers verstoßen könnte (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Diese Formulierung könnte darauf hindeuten, das künftig einzelvertragliche Ausschlussfristen vom Arbeitgeber gegen Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers generell nicht mehr eingewendet werden können.


Fall 2 (BAG vom 12.03.2008, 10 AZR 152/07):

Der streitgegenständliche Formulararbeitsvertrag vom 3. Juli 2002 enthielt u. a. folgende Regelung:

„17. Verfallklausel
Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag und solche, die mit dem Arbeitsvertrag in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruches, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb eines Monats nach Ablehnung oder Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.”

Unter dem 17. Dezember 2003 vereinbarten die Parteien eine Prämienregelung, nach deren näherer Maßgabe der Kläger eine vierteljährliche Umsatzprämie sowie eine Jahresprämie erreichen konnte. Sie enthielt u. a. folgende Bestimmung:

„5. Sonstiges
Reklamationen des Prämienempfängers müssen innerhalb von 4 Wochen nach Feststellung der Prämienhöhe bzw. Zahlung erfolgen. Danach gilt die Prämie als richtig anerkannt.”

Die erste Stufe der Verfallklausel hält nach Auffassung des BAG einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB stand, denn sie benachteiligt den Kläger nicht unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben. Nach der Rechtsprechung des BAG (BAG vom 28.05.2005 – 5 AZR 52 / 05, NZA 2006, 149) ist eine Frist für die schriftliche Geltendmachung von weniger als drei Monaten im Rahmen einer einzelvertraglichen Ausschlussfrist unangemessen kurz. Diese Grenze wird in § 17 Satz 1 des Arbeitsvertrages gewahrt.

Obwohl die zweite Stufe der Verfallklausel unwirksam ist, bleibt die Regelung zur ersten Stufe wirksam.

  1. Die Verfallklausel in Ziff. 17 Satz 2 des Arbeitsvertrages ist rechtsunwirksam. Nach der Rechtsprechung des BAG können zweistufige Ausschlussklauseln in Formulararbeitsverträgen vereinbart werden. Die Mindestfrist für die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche beträgt aber drei Monate (BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - NJW 2005, 3305). Nach Ziff. 17 Satz 2 des Arbeitsvertrages verfällt der Anspruch bereits, wenn er nicht innerhalb eines Monats nach Ablehnung oder Ablauf der Erklärungsfrist von zwei Wochen nach der Geltendmachung gerichtlich geltend gemacht wird. Eine solche Klagefrist ist mit wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechts nicht vereinbar und benachteiligt den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Die Unwirksamkeit der zweiten Stufe der Ausschlussklausel führt nach § 306 Abs. 1 und 2 BGB zu ihrem ersatzlosen Wegfall bei Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrages im Übrigen (BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - NJW 2005, 3305).
  2. Damit wird aber nicht die gesamte Verfallklausel in Ziff. 17 des Arbeitsvertrages unwirksam. Diese ist vielmehr teilbar.
  3. aa)
    Zweistufige Ausschlussfristen können geteilt werden BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - NJW 2005, 3305).

    bb)
    § 306 Abs. 1 BGB enthält eine kodifizierte Abweichung von der Auslegungsregel des § 139 BGB und bestimmt, dass bei Teilnichtigkeit grundsätzlich der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten bleibt. Dieser Grundsatz gilt im Arbeitsrecht ohnehin allgemein (Erfurter Kommentar/Preis § 611 BGB Rn. 342 m.w.N.). Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle nach § 306 Abs. 2 BGB das Gesetz.

    Die Teilbarkeit der Klausel ist mittels einer Streichung des unwirksamen Teils mit einem “blauen Stift” zu ermitteln (blue-pencil-test; BAG 21. April 2005 - 8 AZR 425/04 - AP BGB § 307 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 309 Nr. 3). Ist die verbleibende Regelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Maßgeblich ist, ob sie mehrere sachliche Regelungen enthält (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - BAGE 118, 36) und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Gegenstand der Inhaltskontrolle sind dann für sich jeweils verschiedene, nur formal verbundene AGB-Bestimmungen.

    cc)
    Die erste und die zweite Stufe der Ausschlussklausel in Ziff. 17 des Arbeitsvertrages sind inhaltlich getrennt. Dies kommt sprachlich darin zum Ausdruck, dass beide Stufen in getrennten Sätzen geregelt sind. Ziff. 17 Satz 1 des Arbeitsvertrages enthält eine eigenständige sachliche Regelung. Er verlangt von den Arbeitsvertragsparteien, bestimmte Ansprüche innerhalb von drei Monaten gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich zu erheben, anderenfalls verfallen die Ansprüche. Dagegen enthält Ziff. 17 Satz 2 des Arbeitsvertrages eine andere abschließende sachliche Regelung. Er verlangt nach Abschluss der ersten Stufe innerhalb einer weiteren Frist die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs, anderenfalls verfallen die Ansprüche wiederum. Dieser Teil der Ziff. 17 kann problemlos vollständig gestrichen werden. Dabei bleibt Ziff. 17 Satz 1 des Arbeitsvertrages äußerlich und inhaltlich unverändert und behält seine Selbständigkeit und seinen spezifischen Zweck. Einstufige Ausschlussfristen sind in der Praxis des Arbeitslebens auch weit verbreitet und kommen häufig in Formulararbeitsverträgen vor.
Fraglich und von großer praktischer Bedeutung ist nur, wie zu entscheiden wäre, wenn – wie häufig in der Praxis – folgende Formulierung Verwendung gefunden hätte:

„Gegenseitige Ansprüche aller Art aus dem Arbeitsverhältnis können nur innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Monaten sei Fälligkeit des Anspruches schriftlich geltend gemacht werden (…).“

Dort sind offensichtlich nur Ansprüche erfasst, die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Kennzeichnend für solche gegenseitigen Verträge, auch eines Arbeitsvertrages, ist die synallagmatische Verknüpfung der beiderseitigen Leistungspflichten (siehe Palandt, 67. Auflage 2008, Einführung vor § 320, RdNr. 5), d. h. eine auf dem Grundsatz „Do ut des“ beruhende gegenseitige Zweckbindung.

Verwendet der Arbeitgeber aber nur die Formulierung „gegenseitige“ Ansprüche, so dürften Ansprüche des Arbeitnehmers, die Schadensersatzcharakter haben, nicht von einer etwaigen Ausschluss- bzw. Verfallklausel umfasst sein, da Schadensersatzansprüche gerade nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis im vorgenannten Sinne stehen.

Bislang hatten – soweit ersichtlich – die bislang vom BAG entschiedenen Fälle nur solche zum Gegenstand, bei welchen die Formulierung „alle Ansprüche“ Verwendung gefunden hatte. Wichtig wird dies immer dann, dann wenn beispielsweise
im Falle nicht erteilter Zielvorgaben durch den Arbeitgeber sich Tantieme- bzw. Prämienansprüche in Schadenersatzansprüche des Arbeitsnehmers wandeln (BAG vom 12.12.2007 - 10 AZR 97/07) oder
der Arbeitgeber für den Untergang eines Urlaubsabgeltungsanspruches gem. § 7 Abs. 4 BurlG einen der Urlaubsabgeltung entsprechenden Geldbetrag als Schadenersatz nach §§ 275 Abs.1, 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 249 BGB zu leisten hat (BAG vom 10.05.2005 – 9 AZR 251/01, NZA 2005, S. 1432).

Praxishinweise:
Aufgrund der neuen BAG-Rechtsprechung dürfte es viele (Formular-)arbeitsverträge geben, die den Arbeitgeber im gerichtlichen Verfahren noch „viel Geld“ kosten dürften, da sich dieser der Ausschlussklausel sicher wähnt, aber dann ggf. in letzter Instanz eines besseren belehrt wird. Gerade die Verquickung der neuen BAG-Urteile im Umfeld der „Ausschluss-“ und „Verfallfristen“. Die Anpassung von Arbeitsverträgen an die neue Rechtsprechung sollte nun forciert werden.

Fall 3 (BAG vom 28.11.2007, 5 AZR 992 / 06):
Der Kläger trat am 1. Juli 1999 in die Dienste einer Rechtsvorgängerin der Beklagten. Dem Arbeitsverhältnis lag der schriftliche Anstellungsvertrag vom November 2000 zugrunde, der u. a. folgende formularmäßige Regelung enthielt:

“10. Verfallfristen
10.1
Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis und solche, die mit dem Anstellungsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.

10.2
Weist die andere Vertragspartei den Anspruch zurück oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.“

Das BAG entschied, dass die Bestimmung gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist. Die Frist für die gerichtliche Geltendmachung ist mit zwei Monaten unangemessen kurz. Eine einzelvertragliche Ausschlussfrist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, welche die gerichtliche Geltendmachung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von weniger als drei Monaten ab Fälligkeit verlangt, benachteiligt den Vertragspartner des Verwenders unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - NJW 2005, 3305. Sie ist mit wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechts nicht zu vereinbaren (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und schränkt wesentliche Rechte, die sich aus der Natur des Arbeitsvertrags ergeben, so ein, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). An dieser Rechtsprechung (BAG vom 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - NZA 2006, 149) hält der Senat fest.

Die Unwirksamkeit der Ausschlussklausel führt auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten bei Altverträgen zu ihrem ersatzlosen Wegfall bei Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags im Übrigen (§ 306 Abs. 1 und 2 BGB).

Sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, ist nach § 306 Abs. 2 BGB das (dispositive) Gesetz maßgebend. Ist der Gegenstand der unwirksamen Vereinbarung nicht gesetzlich geregelt, kommt es darauf an, ob ein ersatzloser Wegfall der unwirksamen Klausel eine sachgerechte Lösung darstellt. Scheidet diese Möglichkeit aus, ist zu prüfen, ob nach den anerkannten Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung eine Ersatzregelung gefunden werden kann (BAG vom 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - Rn. 26, AP BGB § 308 Nr. 7 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 20 mwN) .

Eine sog. geltungserhaltende Reduktion ist im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vorgesehen und wurde abgelehnt (BAG vom 28. September 2005 - 5 AZR 52/05 - NZA 2006, 149). Der Gesetzgeber hat sich mit Art. 229 § 5 EGBGB für die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auch auf Verträge entschieden, die bei ihrem Abschluss noch nicht dem Anwendungsbereich des Rechts Allgemeiner Geschäftsbedingungen unterfielen. Durch die Überleitungsvorschrift war den Arbeitsvertragsparteien ein zeitlicher Spielraum eröffnet, sich auf die geänderte rechtliche Lage einzustellen. Die Vertragsparteien können nicht davon ausgehen, dass die rechtliche Beurteilung einzelner Vertragsregelungen während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses unverändert bleibt. Ein etwaiges Vertrauen des Verwenders darauf, zu kurze und damit unwirksam gewordene Ausschlussfristen würden generell auf das gerade noch zulässige Maß verlängert, wäre nicht berechtigt und nicht schützenswert.

Praxishinweise:
Nunmehr ist es auch höchstrichterlich entschieden, dass für vor dem 01.01.2002 abgeschlossene Arbeitsverträge die zweimonatige Ausschlussfrist zu kurz ist. Da weder eine geltungserhaltende Reduktion noch eine ergänzende Vertragsauslegung dem Arbeitgeber „hilft“, bergen gerade Altverträge ein großes Risikopotential.