Recht
09.06.2009
Abberufung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund wegen eines unheilbaren Zerwürfnisses mit einem Mitgeschäftsführer bei einer Zweipersonen-GmbH


Während bei einer Aktiengesellschaft (AG) ein Vorstandsmitglied nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen werden kann (§ 84 Abs. 3 Satz 1 AktG), ist die Bestellung eines GmbH-Geschäftsführers jederzeit widerruflich, unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen (§ 38 Abs. 1 GmbHG). Allerdings kann im Gesellschaftsvertrag einer GmbH die Zulässigkeit des Widerrufs der Bestellung zum Geschäftsführer auf den Fall beschränkt werden, dass wichtige Gründe dies notwendig machen; als solche Gründe sind insbesondere grobe Pflichtverletzung und Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung anzusehen, § 38 Abs. 2 GmbHG. Sowohl bei einer AG als auch bei einer GmbH können im Falle befristeter Verträge die bestehenden Dienstverträge ohne ordentliche Kündigungsmöglichkeit nur bei Vorliegen wichtiger Gründe im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB beendet werden.

Gegenstand des Beschlusses des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 12.01.2009 mit dem Aktenzeichen II ZR 27/08 war nicht die Frage, in welchem Verhältnis der wichtige Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zu § 38 GmbHG (bzw. § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG) steht. Weitestgehend unstreitig ist nämlich, dass ein wichtiger Grund für den Widerruf der Bestellung als Geschäftsführer bzw. Vorstand als solcher nicht zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung geeignet ist (BGH WM 1995, 2064, 2065 linke Spalte).

Vorliegend hatte der BGH auf die Nichtzulassungsbeschwerde der beklagten GmbH hin die Berufungsentscheidung aufgehoben und auf Zurückweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts entschieden. Der BGH stellte fest, dass das Berufungsgericht dadurch, dass es die Unwirksamkeit der in der Gesellschafterversammlung der beklagten GmbH beschlossenen Abberufung des Klägers und der gleichzeitigen Kündigung seines Anstellungsverhältnisses festgestellt hatte, den Anspruch der beklagten GmbH auf rechtliches Gehör (Artikel 103 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

Hinzu führt der BGH in seinen tragenden Gründen folgendes aus und fasst die bisherige, insoweit maßgebliche Rechtsprechung wie folgt zusammen:
  1. Eine Verletzung von Buchführungspflichten, insbesondere die Nicht-Einreichung der Jahresabschlüsse beim Finanzamt, stellt eine schwerwiegende Pflichtverletzung des hierfür verantwortlichen Geschäftsführers dar (BGH-Urteil vom 28.01.1985 - II ZR 79/84, GmbHR 1985, 256).
  2. Eine satzungsgemäße Aufgabenverteilung bei der Geschäftsführung und eine damit einhergehend interne Verantwortlichkeit des Geschäftsführers für den kaufmännischen Bereich, dem damit sowohl die Aufstellung des Jahresabschlusses als auch die Einreichung des Jahresabschlusses beim Registergericht und beim Finanzamt zugewiesen ist, ist es bei vorgeworfenen Pflichtverstößen unerheblich, dass letztlich die abschließende Entscheidung über die Aufstellung des Jahresabschlusses und des Lageberichts eine Gesamtgeschäftsführungsmaßnahme darstellt. Wenn der vom wichtigen Grund betroffene Geschäftsführer die Nichtmitwirkung des zweiten Geschäftsführers bei der Vorbereitung der Jahresabschlüsse und der Bilanzfeststellung rügen will, so muss er dies darlegen (behaupten) und beweisen.
  3. Kommt es bei unterlassener Vorlage des Jahresabschlusses einer GmbH, die für eine Pachtzuzahlung erhebliche (Zahlungs-) Relevanz besitzt, innerhalb der handelsrechtlichen Frist und verbunden damit, dass die fehlende Pachtzinszahlung schlussendlich zur Kündigung des Pachtvertrages durch den Verpächter führt, stellt dies eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, da einem kaufmännischen Geschäftsführer nach der internen Geschäftszuteilung Verantwortung hierfür obliegt und ein „Verlust“ des Pachtvertrags dem Entzug der Betriebsgrundlage gleichkommt.
  4. Bei der Frage, ob eine unheilbare Zerrüttung der Verhältnisse zwischen den beiden Geschäftsführern vorliegt, ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen. Der BGH erteilt dem vom wichtigem Grund betroffenen Geschäftsführer eine Absage dahingehend, dass dieser erfolgreich behaupten kann, intern grundsätzlich allein für den kaufmännischen Bereich zuständig zu sein und dafür keine Pflicht zur Beteiligung der Mitgeschäftsführer bestehen soll.
  5. Der BGH betont, dass es zur Abberufung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund wegen eines unheilbaren Zerwürfnisses mit einem Mitgeschäftsführer ausreichend ist, dass zwei oder mehrere Geschäftsführer untereinander so zerstritten sind, dass eine Zusammenarbeit zwischen ihnen nicht mehr möglich ist: In einem solchen Fall kann jeder von ihnen jedenfalls dann abberufen werden, wenn er durch sein - nicht notwendigerweise schuldhaftes - Verhalten zu dem Zerwürfnis beigetragen hat (BGH-Urteil vom 24.02.1992 - II ZR 79/91, ZIP 1992, 760 f.). Es ist nicht erforderlich, dass der Verursachungsanteil des Abzuberufenden demjenigen des Mitgeschäftsführers überwiegt.
  6. Der BGH stellt klar, dass, anders als in der Literatur (z. B. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Auflage 2006, § 38 Randziffer 13) vertreten, das etwa beiden Geschäftsführern infolge ihres jeweiligen Verhaltens anzulastende tiefgreifende, unheilbare Zerwürfnis nicht zu Folge hat, dass bei einer Zweipersonengesellschaft nur einer der Geschäftsführer ausscheiden muss, während der andere bleiben darf; vielmehr liegt es in der Konsequenz der bisherigen Rechtsprechung, dass - je nach Beschlusslage - jeder der beiden Gesellschafter-Geschäftsführer den anderen als Geschäftsführer abberuft bzw. ihm kündigt, weil wechselseitig wesentliche Ursachen für das Zerwürfnis gesetzt worden sind.
Praxishinweise:
  1. Der BGH hat in dieser Entscheidung die Person der beklagten GmbH gestärkt und die Darlegungs- und Beweislastsituation erfreulich konkretisiert.
  2. Bei der Prüfung der Unwirksamkeit von Abberufung und Kündigung darf nicht allein darauf abgestellt werden, dass ein vom Kläger (mit)verursachtes, unheilbares Zerwürfnis zwischen den beiden Geschäftsführern verneint wird. Vielmehr muss das zur Entscheidung berufene Gericht jeden weiteren „wichtigen“ Grund für die Abberufung mit gleichzeitig außerordentlicher Kündigung des Anstellungsvertrages in verfahrensrechtlich einwandfreier Weise prüfen.
  3. Fehlende Kooperationsbereitschaft oder Dialogfähigkeit bei einer Gesamtverantwortung der Geschäftsführer trotz Ressortverteilung kann zur Zerrüttung des Verhältnisses zwischen den Geschäftsführern beigetragen haben.
  4. Trotz Ressortzuweisung kann kein Geschäftsführer den anderen Geschäftsführer darauf verweisen, dass aufgrund seiner Ressortzuständigkeit „er alleine“ Entscheidungen zu treffen habe.
  5. Die wechselseitige „Abberufungs- und Kündigungsmöglichkeit“ kann je nach satzungsmäßigen Bestimmungen dazu führen, dass eine Führungslosigkeit bei der GmbH eintritt, da derartige Maßnahmen und Erklärungen zunächst einmal im Sinne einer Rechtssicherheit Rechtswirksamkeit erlangen; daraus kann dann (und gerade unter der Geltung des MoMiG) eine verschärfte Verantwortlichkeit der Gesellschafter herrühren.